Pfarrei St. Medardus - Jockuschstr. 12 - 58511 Lüdenscheid
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(01.05.2023)






























Einführung von Stefan Hegerich als Diakon

Sonntag, 30. April - Stefan Hegerich wird offiziell im Gottesdienst in der Kirche St. Joseph und Medardus als Diakon für die Pfarreien St. Medardus und Christus König, Halver eingeführt. In seiner Ansprache lässt er vor der versammelten Gemeinde noch einmal seinen Weg zum Diakon revue passieren. Hier seine Predigt im Wortlaut:

Liebe Gemeinde, Schwester und Brüder!

Ich bin wieder hier, so singt es Marius Müller-Westernhagen. So ist es auch für mich, formal und bereits in kleinen Schritten seit Anfang April, heute nun meine Einführung und Vorstellung. Ich bin wieder hier, war nie wirklich weg, habe mich nur versteckt. Diese Zeilen beschreiben es wohl. Viele waren traurig, ja teilweise verständnislos, dass ich, der hier in Lüdenscheid aufgewachsen ist, der hier seine ersten pastoralen Schritte gemacht hat, wegwollte, weg aus Lüdenscheid, weg von zuhause, sozusagen aus seinem Revier.
Aber es war notwendig, für mich, für meine Entwicklung auch, um meine Stärken und Schwächen im Pastoralen kennenzulernen. Die Pfarrei Christus König in Halver und dort der nun hier aktive Pfarrer Claus Optenhöfel haben mir das Allein-Laufen beigebracht, das fortsetzt, was viele andere hier begonnen habe, vor allem Andreas Rose, der hier mein Mentor war. Sicherlich ging die Weiterentwicklung in Halver auch aus dem Personalmangel hervor, aber, es war gut für mich, und, es war in einem gefühlt beständigen Wandel im dortigen Pastoralteam. Neu anzufangen, ohne bereits in bestehenden Strukturen gefangen zu sein, das war möglich, auch wenn es fast utopisch wirkt. In Halver war der Diakon ein recht unbekannter pastoraler Dienst und so wurde ich eher mit einer neugierigen Offenheit konfrontiert.
Nie wirklich weg war ich, da ich weiterhin in der hiesigen Firmvorbereitung unterstützt habe. Auch mein Wohnort war weiterhin Lüdenscheid und, das ist wohl das Entscheidende, ich hatte als Diakon im Zivilberuf weiterhin meine Arbeit hier in Lüdenscheid. Ich habe mich für die meisten wohl nur versteckt.
Ich bekam, auch weil ich in der Pfarrei wohne, immer noch viel mit. Oft wurde ich beim Einkaufen gefragt, wie meine Meinung zu Diesem oder Jenem ist, PEP war so eine Frage. Ich werde hier auch weiterhin kein Statement abgeben, was nicht gleichzusetzen ist mit der Aussage, mir wäre alles egal. Veränderungen seit Beginn der Corona-Pandemie, faktisch mit Beginn meines Dienstes als Diakon, waren an der Tagesordnung.
Durch die verschiedenen Einflüsse wurde ich in meinem eigentlichen Hauptberuf in der operativen Verkehrsplanung müde, fand meinen Ausgleich in der Seelsorge. Zum Entspannen zur Beerdigung, mein Vorgesetzter schaute immer ungläubig, meine Kollegen freuten sich im Anschluss auf Kuchen, und doch, sie waren es, die es spürten, dass ich müde und mürbe wurde, frustriert.
Wie geht es aus dieser Situation wieder hinaus? Mehr Personal wäre gut gewesen, aber nicht vorhanden oder nicht zu bekommen. Wie geht es für mich weiter? Kann ich das auf Dauer? Psychisch stieß ich an meine Grenzen. Aufgefangen von Freunden, von den Arbeitskollegen, der Familie. Was will ich und wie geht es weiter?
Diese Fragen habe ich mir mehrfach gestellt, nach einer gewissen Zeit in meinem alten Beruf. Ich hatte alles, was ich brauchte. Eine gute Bezahlung, ein sehr gutes Team, das ich geleitet habe. Eigentlich hatte ich inhaltlich meinen Traumjob. Das sind trotz der persönlichen Probleme doch gute Voraussetzungen, um wieder zufrieden im Beruf zu sein, zumindest auf Sicht, es wird schon alles gut werden. Oder?
Warum wechselt man doch, gerade in einer Zeit, wo die Institution Kirche mehr und mehr an Ansehen verliert, zumal wenn man selber bisher in der unteren Führung im öffentlichen Dienst beschäftigt ist. Eine Lebensstelle, hier passiert dir doch nichts, so hörte ich es oft. Und was willst du bei der Kirche? Eine Frage, die nicht seltener gestellt wurde.
Die Stimme der Kirche wird zumeist nur leise wahrgenommen. Und während der Ausbildung der pastoralen Laienberufe hört man, dass man sich besser doch einen anderen Beruf wählen sollten, weil die Bezahlung auf Lebenszeit nicht mehr sichergestellt sein wird. In welche Perspektive wechselt man seinen Beruf bzw. mit welcher Zukunft versucht man anstelle im Traumjob dann seine Berufung zu leben, gerade wenn man doch als Zivilberufler, wenn auch ehrenamtlich, die Kombination aus Traumjob und Berufung hatte?
Die Situation zwischen den Welten aus Berufung, Beruf und Privatleben birgt auf die Dauer und aus dem gelebten Kontext ein Frustpotenzial auch für mich, weder dem einen noch dem anderen gerecht zu werden. Von einem Privatleben konnte zeitweise gar nicht mehr gesprochen werden, die Kombination war, auch aufgrund meines Berufes, zu viel - ein Leben auf der Straße. Die Belastung überstieg das, was gesund war und ist. In der letzten Woche telefonierte ich mit einem meiner ehemaligen Mitarbeiter, der sagte, du fehlst an allen Ecken und Enden. Das tut mir gut, gleichzeitig habe ich die Empathie für meine ehemaligen Kollegen.
Ich war immerhin 20 Jahren bei einem Arbeitgeber. Es hat Freude gemacht, und doch auch viele dunkle Flecken gerade in der letzten Zeit: Corona-Pandemie, Brückensperrung der A45, Personalmangel. Alles das zeigte mir und meinen Körper auf, wo Grenzen sind. Statt Lockdown und Entschleunigung eher High Energy, Arbeit bis fast zum Umfallen. Der Diakonat als Ausgleich zum Alltag mit viel Freude, einem Gefühl von Willkommen-Sein.
2014 / 2015 begann ich die Ausbildung in Köln am Diakoneninstitut. Primär nicht, um den Job wechseln zu können. Es war die Suche nach mehr, nach einer anderen Betätigung und gleichzeitig verbunden, den Glauben zu leben.
Dieses Studium, wenn auch von vielen der Weg belächelt wird, neben dem Beruf ist eine Prüfung, bildet praktisch einen Neuanfang. Nicht nur für einen selbst, auch und, so denke ich, für alle Menschen im persönlichen Umfeld. Vollzeit arbeiten und nebenher studieren - es ist so manches mal ein Kreuzweg, eine Passion, um herauszufinden, ob die persönliche Passion tatsächlich dieser Weg sein kann oder dieser Weg ist.

Gut, wenn es auf diesem Kreuzweg dann Türöffner gibt. Diese Türöffner oder Türsteher kennt man vielleicht. Es sind weltlich diejenigen, die am Stadioneingang die Besucher kontrollieren, vor Konzerte die Taschen, die hilfreichen Menschen auf der Straße, die schauen, dass man den Weg findet, wenn man orientierungslos ist. Solche Situationen sind, so denke ich, allen bekannt.
Jesus ist im heutigen Evangelium der Türöffner für die Schafe, für die, die glauben. Diese Tür steht allen offen, ohne auf Beruf und Status zu schauen. Wir müssen glauben und vertrauen. Genau das ist es, was Jesus von dem Ordner unterscheidet. Der Ordner oder Türsteher am Stadion schaut und sortiert fallweise. Jesus vertraut uns. Wenn wir zu ihm kommen. Er nimmt uns in seine väterlichen Arme und ist bei uns. Ohne eigenen Profit zu ziehen. Von meiner Berufsgruppe ausgehend: der Hirt ist diakonisch unterwegs. Dort wo er gebraucht wird, selbstlos, auf das Wohl der Schafe bezogen. Das bedeutet auch, liebgewonnenen Dinge loslassen und neuorientieren.
Das kann auch heißen, wir Kirche brauchen mehr pastorale Mitarbeiter, die den Dienst tun, die sich um genau diese Menschen kümmern, die Führung oder Begleitung bedürfen. Das ist sicherlich nicht falsch, aber, und das ist wohl wichtiger, die Menschen, die noch den Glauben leben, diesen auch durch eigenes Handeln bezeugen. Das ist der tatsächliche Bedarf. Nicht nur im kirchlichen Kontext, sondern auch und besonders im alltäglichen Leben.
In meinem Büro hing eine Postkarte mit der Aufschrift: Nicht labern, machen! Das heißt nicht, dass jeder bis an die Grenze des Machbaren den Hirten Jesus in seinem Leben vertritt. Es heißt vielmehr: seid wachsam und schaut, wo euer Helfen und Handeln benötigt wird. Und dies nicht, um den Ruhm und die Ehre dafür einzufahren, sondern einfach aus Nächstenliebe. Oder weniger pathetisch: aus dem Respekt gegenüber den Mitmenschen heraus.
Das kann schmerzen und Enttäuschungen mit sich bringen, wenn die gut gemeinte und auch gut gemachte Hilfe schließlich abgewehrt oder im Nachhinein sogar gegen mich verwendet wird.
Manchmal muss man der Versicherungsvertreter sein, nicht den Mitmenschen etwas aufschwatzen, aber doch weiterhin die Tür, wo es notwendig ist, anbieten. Nicht Zwangsmissionierung, sondern niederschwellig anbieten.
So entstehen Freundschaften, Familien, Kollegialität, schließlich aber auch gemeinschaftliches und gemeindliches Handeln. Wenn dies mir gelingen soll, so wie ich wieder hier bin, braucht es Sie alle hier und noch mehr.
Wenn wir durch die Tür Jesus gehen wollen, wenn wir Jesus annehmen, dann finden wir Leben in Fülle gemeinsam. Sind wir gute Türsteher?! Sind wir gute Hirten?! Ich versehe diese beiden Sätze mit einem Fragezeichen und einem Ausrufezeichen. Das Fragezeichen setze ich, weil wir uns immer fragen müssen, ob wir Jesus und seine Worte ernstnehmen. Das Ausrufezeichen setze ich, weil wir durch unser Leben, durch unser redliches Mühen wie Türsteher sind, die anderen den Weg zu Jesus eröffnen, den Weg zu einem Leben in Fülle! Nur gemeinsam kann ich mit Ihnen Diakon hier sein. Ich bitte Sie herzlich, öffnen Sie mit mir Türen, seien Sie mit mir Türsteher. Um es mit Westernhagen zu sagen: nur so bin ich mir sicher, wieder Zuhause zu sein. Und das inzwischen also mit zwei halben Stellen, weiterhin in Halver und nun auch hier in Lüdenscheid. Der Regens sagte mit, Sie sind Diakon auf der Straße. Also bin ich auch weiterhin dort Zuhause, wo ich berufliche herkomme, auf den Straßen der Region, um die Türen zu öffnen und Menschen zu begleiten. Mit Ihnen gemeinsam Kirche zu sein.

Amen.